Maifeld Derby - wir waren vor Ort

Nach zwei Tagen auf dem Maifeld Derby war klar: wir sind Hals über Kopf verliebt. Selten hat alles so perfekt gepasst. Das überragende Line-up, die außergewöhnliche und liebevoll gestaltete Location und die allgegenwärtige Herzlichkeit machen das Festival am Rande von Mannheim zu einem wahren Geheimtipp - Selbst wenn das Wetter nicht hundertprozentig mitspielte.

Schon bei der Ankunft strahlen einen von allen Seiten freundliche Gesichter an: Egal ob es der vollbepackte Festivalbesucher, die hilfsbereiten Crewmitglieder oder die zuvorkommenden Securitys waren, man hatte schnell das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein. Auf dem Maimarkt-Gelände angekommen wird macht sich direkt der wundervolle Charme des Reitsportgeländes bemerkbar. Der "heilige Boden" der Dressurreitplätze ist mit bunten Luftballons, Bändern und Wimpel gestaltet. Zwischen dem Palast- und dem Brückenawardzelt tummeln sich neben der Fackelbühne allerlei kleine Stände und Buden. Entlang des "Parcours d'Amour" haben verschiedene Kunsthandwerker ihr Zelt aufgeschlagen und präsentieren Siebdruck-Poster, Stofftaschen, Turnbeutel oder Upcycling-Werke. Auf die gleichnamige Bühne kann man bequem von den Rängen des Reitsportstadions aus blicken.

Bereits am Freitag wartet das Programm mit dem ein oder anderem Leckerbissen auf: Spoken-Word-Künstlerin Kate Tempest liest aus ihrem Debüt-Roman, die Kanadier Weaves wissen mit ihrer eigenwilligen Indie-Performance zu überzeugen und die HipHopper Käpt'n Peng & Die Tentakel von Delphi lassen einen wahren Wortregen auf die Zuschauer einprasseln und beweisen ihre einmalige Festivaltauglichkeit.

Der Abend bietet mit Flume bereits das erste Highlight des Maifeld Derby. Der junge DJ raubt mit seiner imposanten Show jedem Besucher im Palastzelt den Atem und treibt den Tanzwütigen mit einem Hit nach dem anderen den Schweiß auf die Stirn. Parallel dazu reißen Metz mit ihrem energiegetriebenen Noisepunk das Brückenawardzelt ein, nur damit die Indie-Punks von Die Nerven kurz danach angepisst auf den Trümmern stampfen und dem Freitag den Rest geben konnten.

Der Samstag hat es dann komplett in sich: Egal ob Geheimtipp oder Hochkaräter, eigentlich muss man sich aufteilen, um die ganzen hervorragenden Acts sehen zu können. Nachdem die letzten Töne vom Retro-Garage-Sound der Blackberries verklingen, zaubert The Great Joy Leslie mit seiner Mischung aus Magieshow und Comedy ein Lachen in die anwesenden Gesichter. Drangsal um Frontmann Max Gruber beweisen am frühen Abend dann, warum sie aktuell zu den angesagtesten Bands des Landes gehören. Danach geht es im Sekundentakt weiter: Die Psych-Popper Okta Logue, die Postrock-Supergroup Minor Victories und die Retrorocker Kadaver geben sich die Klinke in die Hand und lassen Musikliebhaber von einer Bühne zur anderen huschen. Explosions In The Sky untermalen ihren zeitlosen Postrock mit einer außerirdischen Lichtshow und die Augustines versetzen die anwesenden Indie-Fans in Tanzlaune. Zum Abschluss verzaubert Headliner James Blake das Publikum. Bei wem trotz der einfühlsam-beruhigenden Stimme des Musikers immer noch das Adrenalin kocht, kann sich anschließend bei Pissed Jeans auslassen und gemeinsam mit Kadavar pogen oder Drangsal bei seinem wagemütigen Kletterakt am Bühnengerüst beobachten.

Selbst am dritten Tag ist von Sonntagsruhe nichts zu merken. Bei Eröffnung des Festivalgeländes hallen die ungewohnten Klänge der afrikanischen Gruppe Ogoya Nengo & The Dodo Women's Group von der Fackelbühne. Die 19-jährige Julien Baker beweist am Nachmittag, dass für wohlige Gänsehautschauer lediglich eine E-Gitarre und eine atemberaube Stimme nötig sind. Etwa zeitgleich experimentieren die Artrocker Suuns auf der großen Palastbühne und Algiers verlegen das sumpfige Mississippi-Delta in die Rhein-Neckar-Region und wirken mit ihrem düsteren Folkrock fast wie Voodoo-Priester. Das Abendprogramm wird vom Pop-Duo Boy eröffnet, das vom Publikum frenetisch gefeiert wird - natürlich auch, weil bei ihrer Songauswahl die Hit-Single "Little Numbers" nicht fehlt. Als dann Dinosaur Jr. als letzte Band auf der Open-Air-Bühne spielen, baut sich hinter ihnen eine bedrohliche Gewitterwolke auf. Da Petrus scheinbar ein Fan von Gitarrenvirtuose J. Mascis ist, wartet das Unwetter, bis sich die Festivalbesucher für den finalen Akt zu Daughter im großen Zelt zusammenfinden. Während draußen im wahrsten Sinne des Wortes das Festival mit einem Knall zu Ende geht, können die Zuschauer das Indie-Folk-Trio im Trockenen feiern.

Auch wenn das Festival mit Regenströmen zu Ende geht und die noch nicht abgereisten Besucher zu ihrer Sicherheit in den nahe liegenden Maimarkthallen untergebracht werden, bleibt das Wochenende rundum gelungen. Die wenigen Regenschauer werden schnell von angenehmen Sommerwetter vertrieben, das Publikum bleibt entspannt und stressfrei und feiert ein wundervolles Festival mit handverlesenen kulturellen Perlen. An den verschiedenen Ecken des Maimarktgeländes lässt sich vor allem die liebenswürdige Detailverliebtheit spüren. Sei es der skurril-amüsante Steckenpferd-Dressur-Wettbewerb voller durchgeknallter Teilnehmer auf zurechtgemachten Holzgäulen, das größtenteils von lokalen Gastronomen angebotene Festivalessen, das seinesgleichen sucht, oder die zuvorkommende und überaus freundliche Art der Organisatoren. Jeder der noch nicht auf dem Maifeld Derby gewesen ist, sollte sich den Termin für das nächste Jahr rot im Kalender markieren. Denn einen derart bunten und sympathischen Farbklecks in der grauen Festivallandschaft sucht man anderernorts oft vergeblich.

Maifeld Derby 2016 Gallery

Fotos: Diana Debatin

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